oder das kleinste Notebook der Welt
Liniert oder plain, large oder pocket, mit Bleistift, Kugelschreiber, Roller oder Füller, für Texte oder Zeichnungen, Bilder und Gekritzeltes aller Art – es gibt viele Fragen um die kleinen schlichten schwarzen Moleskine-Notebooks, die alle nicht besonders wichtig sind, aber doch eine wachsende Szene von LiebhaberInnen beschäftigen.

Natürlich gibt es auch eine entsprechende
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Borchert: Kegelbahn
Kegelbahn. Zwei Männer sprachen miteinander.
Nanu, Studienrat, dunklen Anzug an. Trauerfall?
Keineswegs, keineswegs. Feier gehabt. Jungens gehen an die Front. Kleine Rede gehalten. Sparta erinnert. Clausewitz zitiert. Paar Begriffe mitgegeben: Ehre, Vaterland, Hölderlin lesen lassen. Langemarck gedacht. Ergreifende Feder. Ganz ergreifend. Jungens haben gesungen: Gott, der Eisen wachsen ließ. Augen leuchten. Ergreifend. Ganz ergreifend.
Mein Gott, Studienrat, hören Sie auf. Das ist ja grässlich.
Der Studienrat starrte die anderen entsetzt an. Er hatte beim Erzählen lauter kleine Kreuze auf das Papier gemacht. Lauter kleine Kreuze. Er stand auf und lachte. Nahm eine neue Kugel und ließ sie über die Bahn rollen. Es donnerte leise. Dann stürzten hinten die Kegel. Sie sahen aus wie kleine Männer.
[Wolfgang Borchert: Das Gesamtwerk, Hamburg 1949, S. 315f]
Anmerkungen dazu:
Die Kegelbahn ist ein typisch deutscher Ort. Nirgendwo auf der Welt findet man solche Örtlichkeiten, aber in Deutschland fast überall, vorzugsweise auf dem Dorf. Schon in Goethes „Faust“ wird das Kegelschieben als rohes Vergnügen des einfachen Volkes dargestellt. So sagt Wagner: „Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben ist mir ein gar verhasster Klang; Sie toben wie vom bösen Geist getrieben und nennen’s Freude, nennen´s Gesang“.
Und der Studienrat ist die Verkörperung des deutschen Gymnasiums – der Bildungsinstitution für höhere Stände und die Mittelklasse. Hier waren schon immer die konservativ-nationalen Bildungsgüter besonders gut aufgehoben. Das hat in dem Land, in dem das Gymnasium erfunden wurde, in Preußen, gut funktioniert und funktionierte in der Folgezeit ebenso prächtig.
Erst die 68iger-Revolte und die Bildungsreform der 70iger Jahre machten dem herkömmlichen Gymnasium den Garaus – zwar nicht immer, aber oft. Leider wurden die humanistischen Ideale, wie Humboldt sie im Sinn hatte, nicht besonders gepflegt und machten bald den staatstreuen nationalen Interessen Platz. Während des Dritten Reiches war die deutsche Schule eine der Instanzen, die die Gleichschaltung der Jugend und deren Vorbereitung auf den Krieg betrieben. „Im Krieg sind alle Väter Soldat“.
Und wenn ein deutscher Studienrat auf einer deutschen Kegelbahn mit jemandem redet, dann militärisch knapp und unter Verzicht auf unwichtige Satzteile. Da fühlt sich der Studienrat schon sprachlich als General, der er eigentlich immer werden wollte, aber niemals geschafft hat. Als guter Patriot kann er die Jungs an die Front schicken, was er als Humanist, der er sein sollte, eigentlich verhindern müsste.
Und dann folgen Elemente seiner Rede, bei denen es sich denken lässt: Sparta, Clausewitz, Langemarck.
Eisenhart erzogen die Spartiaten ihre Söhne zu Berufskriegern, die auch ab und zu die umwohnenden Heloten tyrannisieren (ermorden) durften. Für den nationalen Bildungsbürger waren die Kriegerkaste Spartas und deren Erziehungsmethoden das Ideal schlechthin. Ich erinnere mich noch an unseren Lateinlehrer, der uns Jungens von Sparta erzählte, statt uns Latein zu lehren. Und geredet haben sie wohl auch nicht viel (lakonischer Stil). Das Geheimnis, das Sparta die Macht sicherte, war der einzigartige Staatsaufbau, der auf Krieg zugeschnitten war und das Wohl jeden Bürgers dem Staat unterordnete.
Und Clausewitz? Das war jener preußische General, der zu einem der ersten Militärtheoretiker der Neuzeit wurde. Sein dreibändiges Hauptwerk „Vom Kriege“ ließ ihn zum Begründer der modernen Kriegslehre werden. Der berühmte Satz, „der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, sieht im Krieg an sich nichts Verwerfliches. Er ist ein Mittel der Politik, mit dem man legitime Interessen erreichen kann. Nach Recht fragt dann niemand mehr. So einer ist natürlich leicht für Lebensraum und Blut und Boden – legitime Interessen des deutschen Volkes angeblich – in Dienst zu nehmen.
Und dann sind da auch noch die jungen deutschen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg ihren „Opfergang“ für Deutschland bei Langemarck angetreten haben. Wie Schlachtvieh sind sie singend in den Tod gezogen – arme Kreaturen, die man im Dritten Reich zu Helden hochstilisierte. Aber man muss schon ganz schön fanatisch sein, um in diesem sinnlosen Gemetzel Heldentum zu entdecken.
Wenn Abgeordnete Nebeneinnahmen haben, wie in letzter Zeit immer mehr aufgedeckt wird, dann haben sie doch im Grunde auch zwei Arbeitgeber, denen sie Loyalität und ihre Arbeitskraft schulden. Da ist einmal das Volk, der Souverän, denn sie sind "Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen". Und damit sie diesen Auftrag auch ordentlich erfüllen können, haben sie Anspruch auf eine "angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung". Sie bekommen also Diäten, damit sie in Erfüllung ihres Mandates nicht von anderen Geldgebern abhängig werden.
Man könnte auch sagen, das Volk bezahlt sie deshalb so gut, damit sie nicht bestechlich werden.
Und darum hat das Volk auch einen Anspruch auf die ungeteilte Arbeitskraft des Abgeordneten, denn das ist kein Halbtagsjob, in dem man noch eine andere Nebentätigkeit zusätzlich ausüben kann. So gesehen, könnte man es auch Betrug am Volk nennen, wenn ein Abgeordneter seine Arbeitskraft noch woanders vermarket. Und das ungeachtet der Frage, nach seiner Loyalität.
Und dann gibt es ja auch noch die Frage an die Unternehmen weshalb sie Gehälter an Leute zahlen, deren Arbeitskraft und Zeit sie angeblich kaum in Anspruch nehmen. Was wollen Sie denn für ihr Geld von den Leuten haben, wenn sie ihre Arbeit nicht bekommen?
Nun, wahrscheinlich ist die Antwort so banal, dass sie sich jeder denken kann und genau deshalb hat der Volksvertreter nur eine Berufung und nur einen Arbeitgeber zu haben - das Volk.
Da fällt mir ein böser Spruch aus Stanislav Lec' "unfrisierten Gedanken" ein: Vertreter verkaufen allen. Autovertreter Autos. Staubsaugervertreter Staubsauger. Und Volksvertreter? ...