Samstag, 29. Januar 2005

NaPolA - Elite für den Führer

Ein Arbeiterjunge aus dem Berliner Wedding träumt von einer Karriere im Tausendjährigen Reich, vielleicht als Boxer bei den Olympischen Spielen oder als Gauleiter in Kapstadt – nach dem Endsieg versteht sich. Der Sohn des Gauleiters vom Warthegau kann mit der Brutalität der Naziideale und der seines Vaters nicht leben und begeht Selbstmord in einem tiefen kalten Teich. Der junge Boxer ist so, wie der Gauleiter sich seinen Sohn vorstellt, der – gebildet und kulturell begabt – so gar nicht dem Ideal einer harten und gefährlichen Jugend, „vor der die Welt erschrecken wird“ (Hitler), entspricht.
Friedrich Weimer ist ein guter Boxer. Er erfüllt die Anforderungen der Eliteschulung zunächst perfekt, vor allem im Boxen, dem Lieblingssport der Nazigrößen, denn hier lassen sich die sozialdarwinistischen Ausleseprinzipien scheinbar am besten beobachten – survival of the fittest. Friedrich ist der bessere Boxer und Sportler, denn fair, wie er ist, taugt er nicht zum brutalen Schläger, der den Wehrlosen hinrichtet.
Beide werden Opfer der gnadenlosen Jugenderziehung der NaPolA Allenstein, in der der Führernachwuchs herangebildet werden soll. „Männer machen Geschichte. Wir machen Männer.“ Das ist das Credo, dem sich der Anstaltsleiter verschrieben hat. Hier bekommt der seine Chance, der dem Erziehungsideal entspricht: „Hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder, flink wie ein Windhund“. Wer kennt sie nicht, diese blödsinnigen Sprüche? Intellektuelle und Schöngeister sind hier nicht gefragt.
Am Ende verliert Friedrich seinen Boxkampf und damit auch die Aussichten, im System etwas zu werden, absichtlich, bleibt aber der moralische Sieger. Er ist zwar wieder der einfache Arbeiterjunge, aber er hat die Größe bewiesen, den Erwartungen des Gauleiters und der Anstaltsleitung zu widerstehen. Er kann sich als Mensch behaupten, obwohl dies von seiner Umgebung nicht wahrgenommen wird – außer vielleicht von seinem Deutschlehrer und Boxtrainer. Aber das ist am Ende nicht mehr wichtig und so wird er in den kurzen Hosen, in denen er kam, in die Kälte der Winterlandschaft hinausgeschickt.
Diese ist auch ein Motiv des Films, denn Kälte herrscht auch in den Herzen der Menschen. Da werden junge, unbewaffnete russische Kriegsgefangene im kalten Wald brutal ermordet und im kalten zugefrorenen Teich begeht der Sohn des Gauleiters Selbstmord, weil er in so einer Welt nicht leben will. Das Erziehungssystem (Sport bis zum Umfallen und Militärdrill) lässt keine Freundschaften zwischen den Jungen zu. Wer zu weich ist, der zerbricht.
Und trotzdem sind die vermeintlich Schwachen am Ende die Überlegenen. Da ist der Bettnässer, von allen schikaniert, der im entscheidenden Augenblick der ganzen Gruppe das Leben rettet und sich selber opfert. Der Sohn des Gauleiters verliest öffentlich einen Aufsatz gegen die Ideale seines Vaters und der Anstalt (Schule kann man das nicht nennen, Vater auch nicht) und der junge Boxer lässt sich im entscheidenden Augenblick zusammenschlagen. Sie bezahlen mit ihrem Leben, aber sie demaskieren die Kälte und Brutalität des Bösen. Ein guter Film!

Mittwoch, 19. Januar 2005

Alexander

Reflexionen zu Oliver Stones Film

Oliver Stones monumentales Kinoepos versucht den großen Alexander in seiner Widersprüchlichkeit zu zeigen. Von Kind an unglücklich, soll er den Plänen seiner krankhaft ehrgeizigen Mutter Olympias dienen. Aber er macht sich quasi selbstständig, indem er nach Asien abhaut. Im Gegensatz zu seinen Kriegern will er gar nicht mehr nach Hause, sondern ist von der fixen Idee besessen, Europa und Asien in einem Königreich zu vereinen. Historisch leitet er damit die Epoche des Hellenismus ein, aber mit seinem frühen Tod – angeblich und symbolisch nach einem Saufgelage – zerfällt das Riesenreich wie eine Eintagsfliege unter den Machtkämpfen seiner ehemaligen Gefährten. Von alledem vermittelt der Film eine Idee, von der ich aber nicht weiß, ob sie historisch wahr ist. Man hat das Gefühl als brenne eine Kerze ganz hell, aber auch ganz schnell ab. Zu schnell, denn am Ende ist das Chaos nicht geordnet und alles zerfällt. Nur in Ägypten halten sich die Ptolemäer bis in die römische Zeit, wo sie mit Kleopatra ein eher unrühmliches Ende finden. Aber bis dahin sind sie lange Ägypter geworden.
Andererseits zeigt der Film auch, wie die makedonischen Ziegenhirten dem Charme und den Verführungskünsten einer östlichen Zivilisation unterliegen. Wie die Mongolen nach der Eroberung Pekings von der chinesischen Kultur assimiliert wurden, so geht es auch Alexander und vielen seiner Gefolgsleute. Aus griechisch-makedonischer Sicht waren die Perser Barbaren, denen man sich als Mensch überlegen fühlte. Für die Perser waren die Griechen wohl eher ein Haufen zerstrittener Stadtstaaten, die man mit Gold gegeneinander aufhetzen konnte, die aber – am Rande des Weltreiches gelegen – keine besondere Bedeutung hatten. Hier haben sich beide getäuscht. Alexander traf mit seinen Makedonen auf die Sogkraft einer hoch entwickelten Kultur, auf die große Hure Babylon, und das Weltreich des Darius wurde durch einen genialen Heerführer, aber schlechten Menschen, pulverisiert. Und trotzdem sind die Makedonen am Ende wohl eher Perser oder Ägypter geworden. Es waren ja nicht so viele, dass sie der Assimilierung hätten widerstehen können. Vorher hatten schon die Griechen Schwierigkeiten, sie als ihresgleichen anzuerkennen.
Aber die Ruinen Babylons – Alexanders Residenz und Todesort – liegen praktisch vor den Toren Bagdads. Und wurde hier nicht der Größenwahn Alexanders jäh gestoppt? Ging das Weltreich an der eigenen Überdehnung und am Hochmut seines Königs zugrunde?
Es ist möglich, den Film als Parabel auf die einzige heute existierende Supermacht zu sehen. Auch Bush hat die fixe Idee, die Welt vom Bösen zu befreien und unter amerikanischer Flagge zu einen. Wie Alexander gewinnt er alle möglichen Schlachten, aber keine Kriege. In Babylon musste Alexander seinen Traum von der Weltherrschaft und der Einigung Eurasien begraben. Was begräbt Bush in Bagdad? Bereitet hier der große Bush seinen eigenen Untergang vor und geht das Imperium americanum an seiner eigenen Überdehnung zugrunde, wie einige Historiker prognostizieren. Was mich betrifft – Es wäre zu hoffen.

ArnoX

... alles, was man so in Politik, Literatur und Medien interessant finden könnte.

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